Sadek kam im Jänner 2016 mit seiner Familie nach Taiskirchen und besucht seitdem unsere Schule.
Beim Ostergottesdienst zum Thema: „Miteinander – Füreinander – Voneinander“ gingen wir, so wie Jesus damals, der Frage nach: Wer ist denn mein Nächster!“ Sadek erzählt uns das ins seiner Lebensgeschichte.
Dies ist meine Geschichte
Ich, Sadek, komme aus dem Irak nach Österreich.
Meine Heimatstadt heißt Mosul. Das war eine sehr große und schöne Stadt mit fast drei Millionen Einwohnern. Sie war die zweitgrößte Stadt des Staates Irak und liegt ca. 350 km nördlich der Hauptstadt Bagdad. Mosul war eine moderne und sehr schöne Stadt. Ein Hotel war so hoch, dass es bis zum Himmel reichte. Ich habe mit meinen Eltern, Geschwistern und Großeltern in einem eigenen Haus gewohnt. Rund um unser Haus war ein großer Garten mit einer Wiese und schönen Blumen. Im Sommer ist es trocken und es kann sehr heiß werden – zwischen Mai und Oktober gibt es Temperaturen über 30°C. Im Winter jedoch regnet es viel. Manchmal hatten wir sogar Schnee, aber nicht so hoch wie hier in Österreich. Mein Vater und mein Opa hatten auch schöne Autos.
Wir, meine Familie und ich sind Christen und gehören zu den syrisch orthodoxen Christen. Ich besuchte in Mosul den Kindergarten. Christliche Kinder bekamen keinen Schulunterricht. Daher bin ich in Österreich zum ersten Mal in die Schule gekommen. Hier lernte ich auch das Schreiben. Lesen habe ich im Kindergarten gelernt, allerdings arabisch und nicht englisch oder deutsch.
Meine Oma und mein Opa wurden krank und starben.
Leider muss ich bei all meinen Schilderungen sagen: hatten und war.
Seit dem Einmarsch des IS in Mosul ist alles anders geworden. Sie kamen in ihren Autos auf unserer Straße daher mit Tüchern über dem Gesicht, mit Maschinengewehren und Fahnen des IS in der Hand. Uns wurde gedroht: Entweder wir verlassen das Land oder wir werden alle dem Schwert ausgeliefert. Sie zerstörten die Kirche, sogar den Friedhof und das Grab von Opa und Oma. Dann sprengten sie unsere Autos in die Luft.
Wir beschlossen zu gehen. Papa sagte, wir müssen nach Österreich oder Deutschland. Dort gibt es Christen wie wir. Dort können wir leben. Wir mussten schnell weg. Papa, Mama, meine Geschwister Stephan, Dawood und Rana, mein Onkel und ich packten sieben Rucksäcke voll mit Dingen, die wichtig sind für eine lange Reise. Frühmorgens machten wir uns zu Fuß auf nach Erbil, zu unserer Tante. Der weite Weg war sehr anstrengend.
Nach mehr als zehn Stunden kamen wir erschöpft an. Am nächsten Tag flogen wir von dort mit dem Flugzeug nach Izmir.
Izmir, das ist eine große Stadt in der Türkei, die am Meer liegt. Dort stiegen wir in ein kleines Boot. Ca. 25 Menschen waren an Bord, Familien mit Kindern und älteren Menschen. Die Überfahrt war gefährlich. Immer wieder schwappte Wasser ins Boot.
Glücklich landeten wir in Griechenland. Dort blieben wir drei Tage ehe wir mit einem Bus bis zur mazedonischen Grenze fuhren. Von dort gingen wir wieder zu Fuß weiter. Diesmal rund 30 km. Ein Bus brachte uns weiter nach Serbien. Von da an ging es mit dem Zug über Kroatien und Slowenien nach Österreich. Die Polizei war gut zu uns und nahm uns für drei Tage auf. Nach einer weiteren Woche in einem Lager, kamen wir nach Taiskirchen. Alle Menschen waren gut zu uns.
Hier in Österreich sind wir sicher. Ich denke auch an meine frühere Heimat. Es macht mich traurig, wenn ich an unser Haus in Mosul denke und an Freunde, mit denen ich früher gespielt habe. Im Sommer waren wir gerne im Schwimmbad. Auch sie sind weg, so wie auch Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen. Einige sind nach Kanada und Amerika geflohen.
Es tut gut, zu wissen, dass ich hier mit meiner Familie in Frieden leben kann. Ich habe keine Angst mehr. Österreich ist ein gutes Land. Mich freut die Schule. Hier habe ich Freunde, wie Thomas.
In unserem neuen Zuhause spiele ich gern mit meinem großen Bruder Stephan Fußball. Mit Dawood und Rana, und den Kindern der anderen Flüchtlingsfamilie Hussein, Hassan, Sara, spiele ich verstecken.
Wir sind Christen und glauben an Gott unserem guten Vater. Wir beten in unserer Gebetssprache zu Gott, nicht auf Arabisch. Wir beten miteinander: Danke, guter Gott!
Information: Seit der Einnahme Mosuls durch den Islamischen Staat im Juni 2014 ist die Stadt in dessen Hand. Nach der Androhung eines Massenmords an Christen durch den IS - wer nicht flieht und seinen Besitz dem IS überlässt wird dem Schwert ausgeliefert - verließen die meisten christlichen Einwohner die Stadt. Am 19. Juli gab es von ehemals 50.000 Christen keinen mehr in Mosul. Übrigens seit dem 17. Oktober 2016 versucht der Irakische Staat mit Hilfe von Verbündeten die Stadt Mosul wieder zurückzugewinnen. Am 12. März 2017 gelang es den irakischen Streitmächten ein Drittel von Mosul wieder zurückzuerobern. Zwei Drittel der Stadt sind noch immer vom IS besetzt.